Vorgetäuschte Hilflosigkeit bei Kindern

Was du dagegen tun kannst

Tipps gegen Hilflosigkeit

In einigen Bundesländern geht der Kindergarten im eingeschränkten Regelbetrieb wieder los und die Grundschulklassen gehen in den Präsenzunterricht zurück. Vielleicht ändert sich dadurch auch für deine Familie der Tagesablauf. Und vielleicht kommen dann solche oder ähnliche Situationen morgens im Flur wieder häufiger vor:

 

„Mama/Papa, kannst du mir die Schuhe anziehen?“, fragt dein Kind

(obwohl er oder sie das schon seit über einem Jahr selbst kann).

„Nein, mach das bitte selbst“, erwiderst du.

„Nein, ich kann es nicht“, jammert dein Kind. „DU musst es machen!“

Du blickst auf die Uhr, seufzt genervt, gehst in die Knie und ziehst deinem Kind etwas widerwillig die Schuhe an. Na ja, wenigstens kommen wir pünktlich aus dem Haus, denkst du.

 

Falls dir das bekannt vorkommt: Du bist damit nicht allein! Für den Umgang mit echter und vorgetäuschter Hilflosigkeit haben wir 4 Strategien.

Echte oder vorgetäuschte Hilflosigkeit?

Um der Hilflosigkeit auf den Grund zu gehen, hilft es, zwischen echter und vorgetäuschter Hilflosigkeit zu unterscheiden. Bei echter Hilflosigkeit liegt ein Mangel an Fähigkeiten vor, eine gewisse Aufgabe zu meistern. So wird es einem 2-Jährigen schwerfallen, sich die Milch in ein Glas einzuschenken. Und auch eine 5-Jährige braucht noch eine gewisse Unterstützung beim Kuchenbacken.

Es ist nicht überraschend, dass unsere Kinder auch weit über das Babyalter hinaus unsere Hilfe brauchen. Manchmal überrascht uns vielleicht das Ausmaß, aber als Eltern ist es eine unserer Aufgaben, unsere Kinder zu unterstützen und ihnen Fähigkeiten und Fertigkeiten beizubringen.

Relevanz der Hilfe bei echter Hilflosigkeit

Allerdings ist es wichtig, dass wir unseren Kindern vor allem dann helfen, wenn diese Hilfe tatsächlich gebraucht wird. Wenn dein Kind dich immer wieder um Dinge bittet, die es sehr gut allein meistern kann, kann das bei uns Eltern zu Gereiztheit oder Frustration führen. Und bei unseren Kindern schleicht sich eine ungute Gewohnheit ein, die nicht förderlich für das Selbstbewusstsein ist. Wie sagte Jesper Juul so schön: “Kinder werden nicht lebensfähig, wenn wir alle Steine aus dem Weg räumen.”

Woran erkennst du, ob es Zeit ist für unsere 4 Strategien gegen vorgetäuschte Hilflosigkeit?

Letztlich an deinem Bauchgefühl. Hilfst du deinem Kind bereitwillig oder weil es unerlässlich ist? Dann ist alles in Ordnung – wir reparieren nichts, was nicht kaputt ist. Geht dir die übertriebene Hilfsbedürftigkeit deines Kindes auf die Nerven, kannst du die folgenden 4 Strategien anwenden:

1. Bringe deinem Kind die Aufgabe (nochmal) bei

Wenn wir uns Zeit nehmen, unseren Kindern etwas beizubringen, ist das eine Investition, die sich lohnt. Am besten passiert dieses „Training“ in einem Einzelgespräch, in einer neutralen Situation. Also zeitlich unabhängig vom eigentlichen Konflikt. Nimm dir ein paar Minuten und geh z.B. die Schritte zum Schuhe anziehen noch mal gemeinsam durch. Ganz in Ruhe, ohne Kritik. Du könntest dein Kind auch bitten, DIR die Schuhe anzuziehen. Training darf schließlich Spaß machen.

2. Setze klare Erwartungen

Kinder können keine Gedanken lesen. Daher ist es sinnvoll, dass wir ihnen im Voraus unsere Erwartungen in einer gewissen Situation mitteilen. Du könntest zum Beispiel vor dem Zubettgehen mit deinem Kind besprechen: „Schau, morgens haben wir alle unsere Aufgaben zu erledigen. Ich weiß, dass du in der Lage bist, dich selbst anzuziehen. Ich erwarte, dass du dir morgen früh die Schuhe selbst aus dem Regal nimmst und anziehst.“ Das wird vielleicht nicht von Tag 1 an klappen – aber unsere Kinder wollen selbständig sein, sie wollen Dinge schaffen. Und wenn wir sehen, dass es wirklich noch hakt: zurück zu Strategie Nr. 1.

3. Sitze es aus

Zugegeben, keine Notlösung 2 Minuten, bevor du losmusst zum Kindergarten oder zur Schule. In Situationen ohne Zeitdruck kann aussitzen allerdings helfen. Heißt konkret: Erwidere eine Bitte, die auf vorgetäuschter Hilflosigkeit fußt, mit „Du, ich weiß, dass du das allein schaffst. Ich falte jetzt mal die Wäsche – sag Bescheid, wenn wir weitermachen können“. Unseren Kindern Raum zu geben, kann manchmal Wunder wirken.

4. Nutze das Zauberwort "sobald"

Wenn meine Kinder ins Schwimmbad wollten (damals, als die Schwimmbäder noch offen hatten), konnten sie sich im Nullkommanichts eigenständig anziehen. Unsere Kinder verstehen Routinen. Das Wort „sobald“ hilft uns dabei, sie zu etablieren. „Sobald wir den Tisch abgeräumt haben, können wir Nachtisch essen.“ oder „Sobald du die Malsachen aufgeräumt hast, spiele ich gerne mit dir.“ Es ist so etwas wie ein Zauberwort bei vorgetäuschter Hilflosigkeit, vor allem, wenn dein Kind etwas von dir will.

 

Dabei geht es nicht darum, unseren Kindern von heute auf morgen jede Bitte abzuschlagen. Es geht eher darum, die Entwicklung unserer Kinder achtsam zu begleiten. Wir wollen wahrscheinlich alle, dass unsere Kinder sich sowohl kompetent als auch geborgen fühlen. Ihnen dabei zu helfen, eine übertriebene oder vorgetäuschte Hilflosigkeit zu überwinden, ist daher Hilfe zur Selbsthilfe und zur Selbständigkeit.

Manchmal kommt es vielleicht trotz unserer Strategien zu Konflikten, wenn dein Kind nicht selbständig sein will und deine Hilfe einfordert, die es eigentlich gar nicht bräuchte. Wie du diese lösen kannst, erfährst du in unserem Audiokurs “Konflikte lösen mit Kindern”.

Quellen:

Looks, K. (2021): 11 Tipps: Selbstständigkeit von Kindern fördern. https://www.scoyo.de/magazin/familie/erziehung-entwicklung/selbststaendigkeit-von-kindern-foerdern/

von Berchtolsheim, K. (2022): Hilfe, Trotzphase! Die zwölf besten Tipps für Eltern. https://www.tk.de/techniker/magazin/life-balance/familie/trotzphase-tipps-2015882?tkcm=ab

 

 

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