4 Tipps für Scham bei Kindern

- Februar 26, 2021
- Jutta Merschen
Schamgefühle kennt jeder
Stell dir folgende Situation vor: Du bist gerade beim Wocheneinkauf und hast das komplette Kassenband vollgeladen. Der Laden brummt, hinter dir stehen noch 6 Leute an und der Verkäufer fragt dich: „Bar oder mit Karte?“. Du wühlst in deiner Tasche, aber dein Portmonee ist nicht da wo es sein sollte.
Jetzt dem Verkäufer vor den Augen der ungeduldigen Menschen in der Schlange hinter dir zu erklären, dass du den Einkauf leider nicht bezahlen kannst, ist ziemlich unangenehm. Du würdest vor Scham am liebsten im Boden versinken.
Genau so, wie wir uns im Alltag für manches Malheur oder den ein oder anderen Ausrutscher schämen, gibt es das starke Gefühl Scham bei Kindern auch.
Wieso Scham bei Kindern entsteht, warum sie wichtig für das menschliche Zusammenleben ist und wie wir unsere Kinder gut durch schamhafte Momente begleiten können, darum geht es in diesem Magazinbeitrag.
Wie entwickelt sich Scham bei Kindern?
Scham entwickelt sich bei uns Menschen bereits im Alter von 2-3 Jahren. Sie ist ein Gefühl, das wir erst erlernen, wenn wir zwischen uns selbst und anderen unterscheiden können. Für das Empfinden von Scham braucht es die Fähigkeit soziale Regeln, Werte und Normen verinnerlicht zu haben. Das unangenehme Gefühl entsteht nämlich dann, wenn wir mit unserem Verhalten eine dieser Regeln oder Werte verletzen.
Zum Beispiel, weil wir im Laden den Einkauf nicht bezahlen können. Oder im Fall unserer Kinder, wenn wir sie dabei ertappen, wie sie die Süßigkeitenschublade plündern, obwohl sie genau wissen, dass es Schokolade erst heute Abend als Nachtisch gibt. An ihrem schiefen Lächeln oder einem ausweichenden Blick erkennen wir oft Scham und Verlegenheit.
Wieso gibt es Scham bei Kindern?
Ursprünglich ist die Funktion von Scham ziemlich ausgefuchst: Sie unterstützt und regelt unser Zusammenleben. Ob in großen Gruppen in der Steinzeit oder in unserer kleinen Kernfamilie. Verletzen wir Regeln und schämen uns deshalb, hinterfragen wir nicht nur unser Verhalten und passen es häufig an, wir signalisieren auch, dass wir unseren Verstoß gegen allgemeingültige Regeln bereuen. So reguliert Scham unser Zusammenleben, ohne dass wir mit einer direkten „Sanktion“ durch eine Gruppe rechnen müssen.
Möchten unsere Kinder im Bad auf einmal lieber allein sein, oder ziehen sie sich zurück, wenn sie in die Windel gemacht haben, handelt es sich meist um Körperscham. Sie gehört zur kindlichen Entwicklung dazu und ist gut und wichtig, um bestimmte Schamgrenzen zu erlernen. Kinder lernen zu differenzieren und begreifen, dass man z.B. in der Öffentlichkeit nicht nackt herumläuft, dies aber zu Hause völlig in Ordnung sein kann.
Wir können unsere Kinder in der Entwicklung eines gesunden Schamgefühls unterstützen, indem wir ruhig und respektvoll mit ihnen über die Veränderungen reden und ihnen zeigen, dass wir auch in der neuen Situation immer da sein werden, wenn es uns braucht, ihre Grenzen aber auch respektieren.
Der Umgang mit Schamgefühlen deines Kindes
Und jetzt haben wir 4 Tipps für dich, wie du dein Kind bei einem positiven Umgang mit Schamgefühlen unterstützen kannst:
1. Nimm die Sorgen ernst und biete ein Gespräch an
Egal wie klein dir die Probleme oder Sorgen deines Kindes vorkommen: Nimm sie ernst. Versuche, die Bedürfnisse oder Empfindungen deines Kindes nicht aus den Augen von uns Erwachsenen zu betrachten. Für dein Kind sieht die Welt noch etwas anders aus. Du könntest z.B. sagen: „Ich sehe, dass du dich unwohl fühlst. Magst du mir sagen, was dich beschäftigt?“. Gerade wenn diese Gefühle neu sind, kann es unseren Kindern helfen darüber zu reden. Ihr könnt die Emotionen so gemeinsam verbalisieren und klären, wo Grenzen liegen.
Wenn du mehr zum Thema Gefühle validieren wissen möchtest, haben wir hier einen Magazinbeitrag dazu.
2. Respektiere Grenzen
Lasse der Scham einen gesunden Raum und respektiere, wenn dein Kind nicht mit dir darüber sprechen möchte. Schämt dein Kind sich, weil es eine Grenze überschritten hat, kannst du z.B. sagen: „Wenn du darüber reden möchtest, was passiert ist, bin ich für dich da. Wir können gemeinsam einen Weg finden, damit es beim nächsten Mal besser läuft.“
3. Sei Vorbild für einen guten Umgang mit Scham
Zeige deinem Kind, dass Scham ein ganz normales Gefühl ist, das auch wir kennen. Und dass nicht jeder Fehltritt gleich Anlass zur Scham sein muss. Das können wir unseren Kindern wunderbar vorleben, indem wir von unseren eigenen peinlichen Fehltritten und unserem Umgang damit erzählen. So können wir ihnen helfen, Schamgefühle besser einzuordnen, zu verstehen und daraus zu lernen. Und wir ermutigen sie auch, dass Fehler im Leben dazugehören.
4. Bleibe in Verbindung
Gerade kleinere Kinder verstecken sich gerne, wenn ihnen etwas unangenehm ist. Das ist auch total okay, bleibe aber in Verbindung mit deinem Kind. Gehe nach einiger Zeit zu ihm und frage z.B.: „Möchtest du mit mir darüber reden?“. Wer sich versteckt, will manchmal auch gerne gefunden werden. Lasse dein Kind also nicht allein im luftleeren Raum, sondern zeige ihm, dass du trotzdem für es da bist.
Scham ist völlig normal
Scham bei Kindern kann ein wirklich unangenehmes Gefühl sein, dennoch ist es notwendig, um in unserer Welt seinen Platz zu finden. Deshalb: sprich mit deinem Kind und unterstütze es respektvoll in seiner Entwicklung.
Übrigens kann auch Aggression ein Zeichen für Schamgefühl sein. Ist dein Kind aggressiv und du weißt nicht genau warum? Schau doch mal in unserem Magazinbeitrag zum Thema Aggression vorbei.
Ein Grund für die Scham unserer Kinder kann sein, dass sie soziale Normen verinnerlicht haben und dadurch Grenzen entstehen. Wenn dir wichtig ist, Grenzen und Bedürfnisse deines Kindes zu respektieren und zu berücksichtigen, dann schau doch gerne mal in unser Audiokursangebot zum Thema: „Das glückliche Kind: Bedürfnisorientiert erziehen„.
Quellen:
Fröch, S. (2019): Peinlichkeit ist in Ordnung. https://www.erstehilfefuerdieseele.at/blog/interview/peinlichkeit-ist-in-ordnung/.
Neckel, S. (2021): Scham und Schamsituationen aus soziologischer Sicht. In: Trauma – Zeitschrift für Psychotraumatologie und ihre Anwendungen. Asanger Verlag.
Rogge, K.-U.: Warum Sie das Schamgefühl Ihres Kindes respektieren müssen. https://www.elternwissen.com/pubertaet/koerperliche-psychische-entwicklung/art/tipp/schamgefuehl.html.