Für die Belastung, die durch Kindererziehung und Haushaltstätigkeiten entsteht, gibt es seit einigen Jahren einen neuen Begriff: Mental Load. Auch wenn einige das Thema als Modewort abtun: Ein eigener Begriff kann helfen, sich die mentale Belastung, unter der wir stehen, bewusst zu machen. Wer’s noch nicht kennt, dem sei als kleine Einführung der Comic der Künstlerin EMMA empfohlen.
Die Statistiken zeigen, dass Frauen den weitaus größeren Teil der Mental Load abbekommen. Aber es geht mir heute nicht darum, wer wie viel Mental Load hat, sondern eher darum, zu entschlüsseln, was die Belastung ausmacht, wie sie uns beeinflusst und wie wir es anstellen, dass sie uns nicht übermannt (oder überfraut).
Mental Load entsteht vor allem deswegen, weil wir uns als Eltern permanent an so vieles denken und uns an so viele Kleinigkeiten erinnern müssen. Wie du mit dem Mental Load im Familienalltag besser umgehen kannst, darum geht es in diesem Artikel. Außerdem haben wir speziell zu dazu auch einen Audiokurs entwickelt. Du findest ihn hier.
Es ist wie ein kleiner Arbeitstag
Bis wir die Kinder im Kindergarten abgegeben oder in Richtung Schule geschickt haben, ist ein eigener kleiner “Arbeitstag” vorbei. So gestalten wir Routinen zum Beispiel nicht nur für uns, sondern für die gesamte Familie. Aus so etwas “Banalem” wie dem morgendlichen Zähneputzen wird schnell mehr: Zahnpasta leer – auf die Einkaufsliste schreiben, der Bürstenkopf von Kind 1 ist durchgeschrubbelt – neuen suchen oder auch auf die Liste schreiben, Kind 2 hat derweil mit der Zahnbürste den Spiegel geputzt – noch mal schnell nachwischen. Dazwischen noch daran denken, dass die Wäsche von gestern Abend fertig ist und nass in der Waschmaschine wartet.
Die Liste ließe sich beliebig lang fortsetzen. Wer sich jetzt wundert, wieso die Zahnbürsten immer frisch, die Zahnpastatube immer voll, der Spiegel immer sauber ist und die Wäsche immer gut duftet: da hat jemand anderes den Mental Load.
So kannst du den Mental Load reduzieren
Durch das ständige Grübeln (“habe ich nicht noch etwas vergessen?”) und durch die Lösung von Hunderten kleiner Problemen jeden Tag (“nur mal schnell…!”) ergibt sich eine pausenlose Belastung. Diese erzeugt Stress und kann zu Dauermüdigkeit und Überforderung führen. Wenn du denkst, dass bei euch alles paletti ist: super! Wir reparieren nichts, was nicht kaputt ist. Aber es lohnt sich, deine*n Partner*in mal ergebnisoffen zu fragen, wie er/sie sich fühlt mit der Aufgabenverteilung.
5 Tipps gegen Mental Load:
1. Teste deinen Mental Load
Paare sagen oft von sich, dass Haushalts- und Erziehungsaufgaben ziemlich gleich verteilt sind. Forscher haben herausgefunden, dass das in der Realität nicht ganz so ist. Macht einen Mental Load Test gemeinsam, zum Beispiel diesen hier. Hilfreich bei der gemeinsamen Auswertung ist es, zu überlegen, wie viel Zeit die Aufgaben kosten und was davon eigentlich nicht nötig wäre.
2. Verteilt Aufgaben “Ende-zu-Ende”
Wenn ihr euch z.B. über den Mental Load Test die Aufgaben in eurer Familie vor Augen gehalten habt, verteilt sie. Dabei sollte es fair und realistisch zugehen: Die Aufgaben sollten schaffbar sein, ohne dass jemand abends vor Erschöpfung stehend einschläft. Ganz wichtig: es geht um Ende-zu-Ende-Verantwortung! Eine Aufgabe zu übernehmen heißt, sie ohne Erinnerungen, intensives Coaching, Vorarbeit oder Nacharbeit durch den oder die andere zu erledigen. Und dann heißt es auch: machen lassen. Hilfeleistung im Rahmen von Hilfe zur Selbsthilfe ist okay.
3. Plant die Woche
Aufgaben abstrakt zu verteilen ist der erste Schritt. Aber jede Woche bringt neue Aufgaben, egal ob toll oder eher zum Abgewöhnen. Nehmt euch daher am Wochenende oder am Freitagabend kurz Zeit, die nächste Woche zu checken. Vielleicht hilft ein gemeinsamer Terminkalender als Startpunkt.
4. Definiert gemeinsame Orte und Tools
Ein zentraler Ort spart viel Nachfragen und empowert. Legt fest, wo z.B. Einkaufszettel (egal ob digital oder in Papierform), U-Hefte und Impfpässe und die Passwörter für die verschiedenen Onlineshops für Kinderkram zu finden sind. Noch wichtiger ist natürlich die Nutzung. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass das Übungssache ist – und Probieren geht über Studieren.
5. Macht bewussten Rollentausch
Du kochst immer, dein*e Partnerin ist immer für den Einkauf zuständig? Und du wünschst dir Abwechslung oder würdest auch mal gerne durch die Supermarktregale flanieren (Wünsche soll’s ja geben…). Vereinbart Rollentausch und tauscht Aufgaben Ende-zu-Ende durch. Macht euch darauf gefasst, dass die Aufgaben dann anders erfüllt werden – die Erkenntnis, die ihr gewinnt, mal eine Woche in den Schuhen der oder des anderen zu laufen, ist dafür mehr als genug Entschädigung.
Auch wenn im Großen und Ganzen alles bei euch ganz gut läuft, es geht immer dann entspannter, wenn ihr eure Ansprüche im Blick habt. Zum Beispiel mit unserem Hack des selektiven Perfektionismus. Wie das geht, kannst du hier lesen.
Wenn dich das ganze Thema Mental Load interessiert, dann schau doch mal bei unserem Audiokurs “Raus aus dem Mental Load” vorbei.
Zum Weiterlesen
Im Juni sind gleich zwei neue Bücher zum Thema Mental Load erschienen. Laura Fröhlich, Autorin von “Die Frau fürs Leben ist nicht das Mädchen für alles” beschrieb mir ihr Buch im Telefonat als die emotionale Aufarbeitung des Themas und hat viele praktische Tipps parat. Patricia Cammarata, die Bloggerin hinter “Das Nuf” beschreibt in ihrem Buch “Raus aus der Mental Load Falle” ebenfalls konkrete Auswege aus der Überlastung. Beide Bücher sind für Mamas und Papas lesenswert.
Quellen:
Fröhlich, L.(2020): Unsichtbarer Stress: Wenn Mental Load Mütter in die Knie zwingt. https://www.muettergenesungswerk.de/blog/artikel/unsichtbarer-stress-wenn-mental-load-muetter-in-die-knie-zwingt.
Rikli, M.: Mental Load: Was eine Mutter dazu sagt. https://www.wireltern.ch/artikel/mental-load-was-eine-mutter-dazu-sagt-1219.
Schlosser, S.(2020): Mental Load. Wie gerechte Arbeitsteilung in der Familie gelingen kann. https://www.deutschlandfunkkultur.de/mental-load-wie-gerechte-arbeitsteilung-in-der-familie-100.html.