Enttäuschung bei Kindern
5 Strategien, wie wir Eltern sie dabei begleiten können

- April 18, 2021
- Jutta Merschen
Vom Umgang mit Enttäuschung und Frustration bei Kindern
Jesper Juul hat den Satz geprägt, dass Kinder nicht lebensfähig werden, wenn wir ihnen alle Steine aus dem Weg räumen. Was er nicht dazu gesagt hat: Um lebensfähig zu werden, müssen unsere Kinder lernen, mit Enttäuschung und Frustration umzugehen. Und auch, wenn wir sie am liebsten vor allem, was schmerzt, schützen möchten: Enttäuschung bei Kindern hat einen Wert an sich.
Grenzen erleben heißt, Enttäuschung erleben
Jeden Tag erlebt unser Kind Grenzen: Es kann nicht alles sofort haben, kann nicht alles machen, was es möchte oder es geht ihm nicht schnell genug. Oft treten diese Grenzen im Austausch mit uns Eltern auf, aber es kann genauso gut im Spiel mit anderen Kindern passieren: Eine Gruppe von Kindern lässt dein Kind nicht mitspielen oder es wird nicht zu einem Kindergeburtstag eingeladen, obwohl es fest damit gerechnet hat.
Oder aber dein Kind merkt, dass zwischen Wunsch und Realität noch ein „Misfit“ vorliegt: Das, was es sich vorgenommen hat, klappt einfach noch nicht – zum Beispiel akkurat ausschneiden, balancieren, einen Purzelbaum schlagen. Und manchmal sind es auch einfach äußere Gegebenheiten, die zu Enttäuschung führen: Der Streichelzoo ist geschlossen, das erhoffte Spielzeug war nicht auf dem Geschenketisch.
Reaktionen auf Enttäuschungen sind vielfältig
Kinder reagieren unterschiedlich auf Enttäuschung: mit lautstarker Frustration, mit Zurückgezogenheit, mit Quengeln, mit Traurigkeit oder Tränen. Du als Mama oder Papa fragst dich vielleicht, wie du am besten damit umgehst und wie du dein Kind in solchen Situationen am besten begleitest. Dazu haben wir heute fünf Strategien für dich. Mehr zum Thema erfährst du außerdem in unserem Audiokurs “Das glückliche Kind: Bedürfnisorientiert erziehen”.
Frustrationstoleranz will gelernt sein
Für uns Eltern ist es wichtig, zu wissen: Der Umgang mit Enttäuschung und Frustration ist nicht angeboren. Er muss erst einmal erlernt werden. Kinder müssen ein Verständnis dafür entwickeln, dass Enttäuschung und Frustration genauso zum Leben dazugehören wie Erfolg und Freude. Daraus entwickeln unsere Kinder im besten Fall eine gewisse Resilienz für die Niederschläge, die im Laufe des Lebens zu verkraften sind. Für uns Eltern heißt das also: Es geht nicht darum, den Schmerz von unserem Kind fernzuhalten oder ihn abzunehmen.
Es hilft unserem Kind übrigens auch nicht, wenn wir uns mit seinen großen Gefühlen komplett identifizieren und sie uns zu eigen machen. Für ein Kind sind starke elterliche Gefühlsausbrüche oft schwer zu verkraften. Es fühlt sich dann schnell hilflos und vermisst den starken Fels in der Brandung. Es geht also vielmehr darum, für das Kind da zu sein und auch die unangenehmen Gefühle wie Enttäuschung und Frustration gemeinsam auszuhalten.
5 Strategien, um mit Enttäuschung bei Kindern umzugehen
Und konkret? Da helfen dir unsere fünf Strategien. Manchmal funktioniert eher die eine, manchmal eher die andere und manchmal mehrere zusammen – du kannst gerne experimentieren, was in welcher Situation für dich und dein Kind am besten passt.
1. Erkläre den Kontext
Wenn die Enttäuschung deines Kindes mit einem äußeren Umstand zusammenhängt, hilft es deinem Kind, zu erklären, warum etwas passiert. Zum Beispiel, dass die Geschäfte am Sonntag geschlossen sind und ihr deshalb nichts einkaufen könnt. Es ist für den Selbstwert deines Kindes wichtig, dass es die enttäuschenden Umstände nicht nur auf sich bezieht. Klarheit und größtmögliche Weichheit in der Kommunikation helfen, die Enttäuschung zu überwinden.
2. Validiere die Emotionen
Schon kleinen Kindern hilft es, wenn wir die Situation beschreiben und ihnen helfen, ihre Gefühle dazu zu benennen. Zum Beispiel: „Du bist sauer, weil es jetzt keinen Nachtisch/kein neues Stofftier gibt? Das verstehe ich.“ Es geht nicht darum, dass wir alle frustrierende Umstände sofort beheben müssen. Wichtiger ist es, dass wir die Enttäuschung oder die Wut gemeinsam aushalten und sie dann auch wieder gehen lassen.
3. Erkunde die Ursache
Wenn unser Kind enttäuscht oder frustriert reagiert, sehen wir zunächst nur sein Verhalten. Es lohnt sich, die Hintergründe zu verstehen. Das ist gerade dann wichtig, wenn das enttäuschende Erlebnis oder der Misserfolg außerhalb des für uns sichtbaren Bereichs stattfindet – zum Beispiel im Kindergarten oder beim Besuch der Großeltern. Hier hilft es, im Gespräch mit deinem Kind herauszufinden, warum es so enttäuscht ist – was also seine Erwartung an die Situation oder an andere Menschen war, die nicht eingetreten ist. Tipp: aktiv zuhören und empathisch zurückmelden, was du gehört hast.
4. Sucht gemeinsam Lösungen
Wir können unseren Kindern helfen, aus einer Negativspirale von „Ich kann das nicht“ oder „Niemand spielt mit mir“ herauszukommen, wenn wir ihnen Selbstwirksamkeit ermöglichen. Am besten im Tun: wenn etwas nicht klappt, übt gemeinsam oder frage dein Kind, was es stattdessen machen möchte. Wenn dein Kind sich nach Spielkameraden sehnt: macht selbst ein (coronakonformes) Playdate aus.
5. Vermittle deine Strategien
Kinder machen oft nicht das, was wir sagen, sondern das, was wir tun. Nimm dir in einem neutralen Moment die Zeit, mit deinem Kind deine Strategien gegen Enttäuschung zu besprechen. Das sollte Ereignisse betreffen, die sie nachvollziehen können. Zum Beispiel, wenn ein Kuchen nicht gelingt oder du etwas Wichtiges vergisst. So vermittelst du deinem Kind: Es ist okay, Fehler zu machen, es ist in Ordnung, enttäuscht zu sein und es gibt Strategien, wie du Enttäuschungen überwinden kannst.
Die Enttäuschung entlarvt die Täuschung
Natürlich würden wir unserem Kind am liebsten alle Misserfolgen und Enttäuschungen ersparen. Pater Anselm Grün, der bekannte Benediktinermönch, hat etwas sehr Weises zur Wirksamkeit von Enttäuschung geschrieben: „Die Enttäuschung entlarvt die Täuschung, der ich bisher verfallen war, und hebt sie auf. Sie zeigt mir, dass mein Selbstbild nicht gestimmt hat, dass ich mich falsch eingeschätzt habe. So ist die Enttäuschung die Chance, das wahre Selbst zu entdecken.“
So stärkt der richtige Umgang mit Enttäuschungen nicht nur den Charakter deines Kindes, sondern auch seine Selbstwahrnehmung.
Interessiert dich das Thema, wie du auf Bedürfnisse deines Kindes eingehen kannst? Dann ist vielleicht auch unser Audiokurs “Das glückliche Kind: Bedürfnisorientiert erziehen” etwas für dich. Schau gerne mal vorbei.
Quellen:
Albert, D. (2020): Maschenprobe – oder wie Kinder den Umgang mit Frust und Enttäuschungen lernen. https://eltern-familie.de/2020/04/07/maschenprobe-oder-wie-kinder-den-umgang-mit-frust-und-enttaeuschungen-lernen/.
Groene, M. (2018): So unterstützen Sie Ihr Kind im Umgang mit Gefühlen. https://www.fritzundfraenzi.ch/gesundheit/psychologie/wut-im-bauch-so-lernen-kinder-ihre-emotionen-zu-regulieren?page=all.
Müller, A.: Wie Kinder lernen mit Enttäuschungen umzugehen. https://www.leben-und-erziehen.de/kind/erziehung-entwicklung/mit-enttaeuschungen-umgehen-991207.html.
T-online (2020): Kinderpsychologie. Die zehn größten Enttäuschungen für Kinder. https://www.t-online.de/leben/familie/id_42210024/kinderpsychologie-das-sind-die-zehn-groessten-enttaeuschungen-fuer-kinder.html.