Kinder beim Lernen fördern

Interview mit der Pädagogin Uta Reimann-Höhn

Kinder beim Lernen fördern

Anfang September in Deutschland – die meisten Bundesländer haben den Schulstart schon hinter sich, Bayern und Baden-Württemberg folgen demnächst. Für über 700.000 Kinder beginnt das erste Schuljahr und für alle Familien mit schulpflichtigen Kindern fängt nach den Sommerferien wieder ein neuer Rhythmus an.

 

Die Schule, Hausaufgaben, Lernen und Noten begleiten uns Eltern und unsere Kinder über viele Jahre. Da wäre es gut, wenn Lernen glücklich macht, wenn es entspannt gelingt und unsere Kinder ihr Potenzial voll entfalten würden. Es mag utopisch klingen, aber es kann gelingen, sind sich Expert*innen der Lernförderung und Lernpädagogik sicher.

 

Ich habe mich dafür mit Uta Reimann-Höhn unterhalten, langjährige Pädagogin, Gründerin von www.lernfoerderung.de und Initiatorin des gleichnamigen YouTube-Kanals, der sich an Kinder und Jugendliche richtet. In diesem Beitrag geht es um unsere Rolle als Eltern von Schulkindern, was wir bei der Hausaufgabenbegleitung tun sollten und wie wichtig die “Diagnostik” ist, wenn es in der Schule mal nicht so läuft.

Unsere Rolle als Eltern

Wer, so wie ich, das erste Mal ein Schulkind zu Hause hat, fragt sich vielleicht, was überhaupt unsere Rolle als Eltern bei der Begleitung unserer Kinder bei Hausaufgaben und Lernen ist. Uta Reimann-Höhn sagt, es ist ein Mittelweg. Zumindest gilt das für Zeiten, in denen wir uns nicht zwischen Wechselunterricht, überforderten Lern-Servern und Hausaufgaben und Arbeitsblättern zum Herunterladen bewegen.

Gerade bei Erstklässlern und Grundschulkindern können wir Eltern uns aus den Schulangelegenheiten nicht völlig raushalten – es braucht unsere Mitwirkung. Auf der anderen Seite ist es aber nicht sinnvoll, wenn wir uns die schulischen Verpflichtungen der Kids zu eigen machen. Damit nehmen wir ihnen den Antrieb und ihre innere Motivation. Wenn wir uns zu Helikoptereltern entwickeln, die ständig den Leistungsstand ihrer Kinder kontrollieren, schaden wir unserem Kind mehr, als dass wir ihm helfen. Wir ersetzen damit nämlich das angeborene Bedürfnis nach Wachstum durch extrinsische Motivation. Unser Kind funktioniert dann eher nach dem Prinzip “Ich mache das, weil Mama/Papa das wollen.” statt “Ich mache das, weil ich neugierig bin.”

 

Eltern sind für das Setup zuständig

Aber wofür sind wir Eltern dann genau zuständig? Für die Rahmenbedingungen, die das Lernen fördern, sagt Reimann-Höhn. Material besorgen, Arbeitsplatz einrichten, gemeinsam Rituale für Hausaufgaben und Lernen überlegen, nachfragen, was die Hausaufgaben sind oder ob ein Test geplant ist. Solange Kinder noch nicht lesen können und die Routinen noch nicht eingeübt sind, müssen wir auch den Stundenplan im Auge behalten und gemeinsam mit den Kindern die Schultasche packen.

Wofür wir nicht verantwortlich sind, ist die schulische Leistung der Kinder. Wir begleiten sie, wir unterstützen sie, aber wir müssen sie mit Beginn der Schulzeit auch ein Stück weit loslassen.

 

Die eigene Einstellung als Eltern zu Schule, Hausaufgaben und Lernen

Auch über dieses Loslassen habe ich mit Uta Reimann-Höhn gesprochen, denn es gehört zur Frage der Einstellung von uns Eltern zu Schule, Hausaufgaben, Lernen und Co. Dabei gilt: Wir Eltern sollten eine positive Haltung zu allem vermitteln, was Lernen, Bildung, Schule, Lehrer und Lehrerinnen betrifft, denn unsere Kinder übernehmen diese Einstellung. Wenn du mit dem Konzept Hausaufgaben oder Noten nichts anfangen kannst, dein Kind aber auf eine Schule geht, wo dies an der Tagesordnung ist, hilft du deinem Kind, wenn du dich auf die positiven Aspekte konzentrierst. Deinen Frust über das Schulsystem diskutierst du am besten mit anderen Erwachsenen.

Unsere Haltung als Eltern sollte positiv sein, meint Reimann-Höhn. Das heißt, dass wir nicht davon ausgehen sollten, dass es schwierig wird – denn dann wird es das auch. Stattdessen könnten wir von einem wachstumsorientierten Mindset ausgehen: Wir können gemäß unseres Potenzials alles lernen. Gleichzeitig hilft ein realistischer Blick aufs Kind. Es ist vollkommen normal, dass dein Kind in einigen schulischen Fächern stärker, in anderen schwächer sein wird. Stärken zu stärken verbessert das Selbstvertrauen und das hilft, Schwächen zu schwächen. Oder zumindest ein ausreichendes Level zu erreichen.

 

Der Unterschied zwischen Hausaufgaben und Lernen

In der ersten Klasse beschränken sich Hausaufgaben noch auf kurze Übungen, ab der zweiten Klasse können sie schon mal 30 Minuten am Tag beanspruchen. Gibt es einen Unterschied zwischen Hausaufgaben und Lernen oder Üben, zum Beispiel für einen Test?

Ja, meint Uta Reimann-Höhn und den sollten wir für unser Kind auch ersichtlich machen. Hausaufgaben sind Aufträge der Lehrerin oder des Lehrers an die Schüler*innen. Es gibt also eine klare Erwartungshaltung an das Kind, die von außen, also nicht von uns Eltern kommt. Die Eltern können bei der Erledigung dieser Aufgabe unterstützen, aber das Kind ist verantwortlich. Wenn du Strategien lernen möchtest, mit Schulstress, der dadurch entsteht, umzugehen, schau doch mal hier.

Wie begleite ich richtig bei den Hausaufgaben

Wichtig ist, dass dein Kind sich erst mal alleine an die Hausaufgaben setzt. Erst mal ausprobieren lassen, sagt Reimann-Höhn. Die Kinder sollten wissen, dass die Eltern da sind, wenn sie gebraucht werden. Wenn dein Kind aktiv nach Hilfe fragt, kannst du punktuell begleiten und dein Kind dann am besten nach einem kurzen Input wieder alleine weitermachen lassen. Kinder entwickeln Motivation, indem sie selbst etwas schaffen und innere Erfolgserlebnisse haben, nicht, indem sie am nächsten Tag in der Schule die von den Eltern erledigten Hausaufgaben vorlesen.

Kleine Rituale können auch helfen. Zum Beispiel: 

  • Hausaufgaben zu einer festen Zeit machen. Wann die ist, kommt auf euren Tagesablauf und dein Kind an.
  • Mit der Frage beginnen, was denn heute eigentlich aufgegeben wurde. 
  • Einen Wecker stellen, damit dein Kind sieht, dass es nicht ewig sitzen wird. 
  • Dein Kind einen Plan für die Hausaufgaben machen lassen oder gemeinsam die Abfolge festlegen

Und wenn es mal zu viel wird mit den Hausaufgaben? Als Eltern darunter schreiben, wie lange das Kind daran gesessen hat, damit die Lehrer*innen sehen, dass es nicht am mangelnden Einsatz gelegen hat, wenn es nicht fertig geworden ist. Wenn dein Kind immer wieder zu lange sitzt oder an den Hausaufgaben verzweifelt: Such am besten das Gespräch mit der Lehrerin oder dem Lehrer. Hausaufgaben sollten nicht den gesamten Nachmittag in Anspruch nehmen. Wichtig auch hier: eine positive, lösungsorientierte Haltung zur Lehrkraft.

 

Was ist, wenn das Kind keine Hausaufgaben machen will

Wenn dein Kind überhaupt keine Motivation für die Hausaufgaben zeigt, ist für Uta Reimann-Höhn feinfühlige Diagnostik angesagt. Warum will das Kind nicht? Fühlt es sich über- oder unterfordert? Weiß es nicht, wann oder wo es die Hausaufgaben in Ruhe erledigen soll? Oder macht es erst mal lieber andere Dinge und später fehlt die Zeit oder das Kind ist zu müde? Oder glaubt es, Hausaufgaben wären nicht wichtig? Es lohnt sich, genau hinzuschauen, woran es liegt und dann entsprechend Lösungen zu überlegen – am besten, gemeinsam mit dem Kind. Kleine Erinnerung: Hausaufgaben sind Aufträge ans Kind. Wir Eltern sollten es nur dabei unterstützen, diese Aufgabe selbständig erfüllen zu können.

Eine Lösung ist übrigens auch, das Kind mal ohne Hausaufgaben in die Schule gehen zu lassen. Manchmal hilft eine nicht so vorteilhafte Rückmeldung der Lehrkraft, um wieder neue Motivation entstehen zu lassen.

 

Lernen für einen Test

Lernen ist anders als Hausaufgaben. Beim Lernen geht es darum, sich Wissen oder Fähigkeiten anzueignen, die dann zum Beispiel bei einem Test oder einer Klassenarbeit abgefragt werden. Wenn der Test oder die Arbeit angekündigt sind, kannst du dein Grundschulkind fragen, wann es sich darauf vorbereiten will und wie du es beim Lernen fördern und unterstützen kannst. Mach am besten einen Vorschlag, wann ihr das übt, was noch nicht so sitzt. Die Lernforschung hat übrigens gezeigt, dass unser Gehirn effektiver in kleinen Zeitabschnitten über einen längeren Zeitraum lernt anstatt zu versuchen, alles am Abend vorher aufzusaugen.

Und wenn dein Kind alleine lernen will? Machen lassen, meint Uta Reimann-Höhn. Erinnere dich daran, dass dein Kind den Test schreibt und nicht du. Und wenn es sich im Moment lieber alleine darauf vorbereitet, heißt das nicht, dass du nicht beim nächsten Mal als Lernpartner*in gefragt bist.

 

Sollen wir unsere Kinder für gute Leistung in der Schule belohnen?

Eine große Frage, die sich viele Eltern stellen. Wenn das Kind eine Eins schreibt, sollten wir das besonders hervorheben oder das Kind belohnen, sei es mit Geld, einem Eis oder einer anderen Kleinigkeit? Uta Reimann-Höhn meint mit einem Schmunzeln in der Stimme, dass ein solches Belohnungssystem schnell ins Geld geht. Sie rät dazu, nicht (nur) die Leistung zu würdigen, sondern vor allem die Anstrengung. Natürlich kann man eine gute schulische Leistung loben. Als Eltern muss man aber nicht das Ergebnis loben, sondern das Lernen anerkennen: “Toll, dass du dir Mühe gegeben hast, das vorher zu üben.”

Was tun, wenn ein Kind eine schlechte Note mit nach Hause bringt?

Und wenn ein Kind eine Arbeit verhaut? Wir Eltern sollten uns das nicht zu sehr zu Herzen nehmen, wir haben deswegen nicht versagt. Wir sollten weder uns noch unsere Kinder gleichsetzen mit ihrer schulischen Leistung. “Es war ein Test. Der ist daneben gegangen. Ok. Was können wir beim nächsten Mal anders machen?” Reimann-Höhn erzählt, dass sie mit ihren Söhnen auch schon zum Trost bei einer Fünf in der Klausur Pizza essen gegangen ist. Mit solchen Aktionen kannst du die Anstrengungsbereitschaft deines Kindes wertschätzen. Denn das alleine ist eine Leistung, die anerkannt werden sollte.

Kinder fürs Lernen motivieren

Uta Reimann-Höhn weiß aus ihrer langjährigen Erfahrung, dass Kinder eigentlich sehr gerne lernen. Sie haben das ja auch schon in all den Jahren vor der Einschulung getan. Meistens spielerisch, in der Vorschule vielleicht auch schon strukturierter. Wenn ein Kind nun nicht lernen will oder sich überhaupt nicht auf die Schule freut, ist es wichtig, herauszufinden, woran es liegt.

Hat dein Kind Angst oder Sorge, die Erwartungen nicht zu erfüllen? Fühlt es sich für seine Anstrengung nicht wertgeschätzt? Kommt es im Unterricht nicht gut mit und weiß schon, “dass es das ja eh nicht kann”? Oder passt einfach der Tischnachbar oder die Tischnachbarin nicht zum Kind? Es gibt leider keine pauschalen Antworten darauf, wie man Kinder am besten motiviert und beim Lernen fördert. Herauszufinden, warum die innere Motivation nicht vorhanden ist, ist allerdings immer ein guter Schritt.

Angst oder Druck dagegen verstärken das Problem der Motivationsblockade eher. Besser ist es, deinem Kind immer wieder zu spiegeln, dass du es nicht wegen seiner Leistung liebst,  sondern um seiner selbst willen. Gleichzeitig kannst du auch den Glauben daran stärken, dass Veränderung und Wachstum möglich sind und dass man aus Fehler oder Misserfolgen lernen kann. Zum Beispiel auch, sich anders auf einen Test vorzubereiten.

 

Wichtiger als alle Lernmethoden ist ganz am Anfang der Schulzeit, dass die Kinder den Spaß am Lernen nicht verlieren. So, wie wir auch spielerisch Konflikte lösen können, sollten wir auch spielerisch an das Thema Lernen und Üben herangehen. Das geht auch nebenbei im Supermarkt, beim Kochen oder Kinderzimmer aufräumen.

Vor allem sollten wir unserem Kind vermitteln, dass wir es nicht aufgrund seiner Leistung lieben, sondern einfach, weil es unser Kind ist.

 

Wenn du mehr über konkrete Tipps und Lernmethoden lesen willst, dann besuche Uta Reimann-Höhn unter www.lernfoerderung.de oder in ihrem YouTube-Kanal. Außerdem kannst du gerne mal bei unserem Audiokursangebot zum Thema „Raus aus dem Schulstress“ vorbeischauen.

Schritt-für-Schritt-Anleitung Löse Konflikte spielerisch

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