Wenn Kinder lügen
7 Tipps, wie du damit umgehen kannst

- Juni 10, 2021
- Jutta Merschen
“Kindermund tut Wahrheit kund”, lautet ein bekanntes Sprichwort. Und es stimmt: Kinder nehmen oft kein Blatt vor den Mund. Wenn dein Kind aber bestreitet, dass es Schokolade gegessen hat, obwohl der Mund voll davon ist, dann müssen wir Eltern feststellen: Kinder lügen und flunkern. Solche anfänglichen Lügen sind meist schnell durchschaubar. Ein roter Kopf, ein schamvoller Blick auf den Boden oder eine zu schnelle Antwort verraten unser Kind.
Wenn Kinder beginnen, mit der Wahrheit zu “experimentieren”, machen sie einen enormen Entwicklungsschritt. Meist finden wir Eltern es jedoch weniger gut, dass unsere Kinder lügen. Schließlich sollen die Kinder doch lernen, wie wichtig Ehrlichkeit.
In diesem Artikel geben wir dir 7 Tipps, wie du mit den Flunkereien und Lügen deines Kindes umgehen kannst.
Ab wann lügen Kinder?
Kinder zwischen 3 bis 4 Jahren leben häufig in ihrer Fantasiewelt und können Situationen noch nicht vollständig überblicken. Wenn sie flunkern, dann eher, weil sie es gerade wirklich nicht anders wissen oder weil sie ihre Grenzen testen wollen. Sie wollen herausfinden, ob Mama und Papa nicht bemerkt haben, dass sie keine Zähne geputzt oder die Bonbons aus der Dose genommen haben.
Andererseits wollen Kinder in diesem Alter mit ihren Geschichten Anerkennung von uns Eltern bekommen und sich groß und selbstbewusst fühlen. Gerne erzählen sie uns dann ganz fantastische Dinge, wie zum Beispiel “Ich bin bis nach Italien gegangen und wieder zurück.” Was du neben “Oha” und “Ahhhh” noch sagen kannst, ist: “Ich mag dich so wie du bist und mag eine ehrliche Geschichte noch mehr.” Dein Kind spürt dann, dass es immer wertgeschätzt wird und keinen Grund hat, zu flunkern. Und wenn es doch mit großen Geschichten kommt, ist das eher ein Ausdruck seiner Fantasie denn ein schlechter Charakterzug.
Ab einem Alter von etwa 5 bis 6 Jahren ist das kindliche Bewusstsein dann so weit fortgeschritten, dass wir jetzt davon sprechen können, dass Kinder lügen. Dafür brauchen wir nämlich etwas, das die Psychologie als “Theory of Mind” bezeichnet. Das bedeutet, dass sie sich die Gedanken einer anderen Person logisch erschließen können und verstehen: “Mein Gegenüber sieht die Welt anders als ich.” Das heißt: Dein Kind weiß, dass du nicht dabei warst, als es die Schokolade gegessen hast und kann deswegen bestreiten, dass es diese gegessen hat.
Laut Forscher*innen der Universität Toronto in Kanada gehört das zu einem wichtigen Entwicklungsschritt bei unseren Kindern. Denn hierbei müssen sie dazu in der Lage sein, eine Verbindung zwischen Ursache und Wirkung zu ziehen. Außerdem müssen sie sich dafür in die Gefühle und Denkweisen anderer Menschen hineinzuversetzen. Das setzt auf jeden Fall eine gewisse soziale Intelligenz voraus.
Die Beweggründe sind hier aber anders als beim Flunkern. Kinder lügen, um einer unangenehmen Situation zu entkommen. Oder sie haben Angst, Ärger zu bekommen. Zum Beispiel, wenn sie ihren Sportbeutel verloren haben oder einen Schlüssel versteckt haben.
Ab einem Alter von 7- 8 Jahren müssen wir uns schon anstrengen, die Lügen unserer Kinder als solche zu bemerken, so durchdacht und detailliert sind sie. Mit zunehmendem Alter wird ihr Denken komplexer und sie können Zusammenhänge viel besser erfassen.
Was können wir ganz konkret tun, wenn unsere Kinder lügen?
1. Zeig deinem Kind, dass es dir vertrauen kann
Ist deinem Kind deine Lieblingsvase aus dem Flur kaputtgegangen, rechnet es vielleicht mit Ärger und lügt dich deswegen an. Sätze wie “Du bekommst keinen Ärger” oder “Es ist ok, du kannst mir sagen, was passiert ist, ich werde nicht wütend.” können helfen. Dein Kind vertraut dir dann auch in Zukunft eher die Wahrheit an, weil es weiß, dass es keine Angst davor haben muss.
2. Lobe dein Kind, wenn es die Wahrheit sagt
Wenn dein Kind ehrlich auf deine Frage geantwortet hat, hebe das hervor und sage so etwas wie: “Danke, dass du uns die Wahrheit sagst.” Je öfter du die Ehrlichkeit deines Kindes wertschätzt, desto weniger hat es Gründe, um überhaupt zu lügen.
3. Vermeide die Bezeichnung "Lügner*in"
Auch wenn dir manchmal die Lügen deines Kindes zu Kopf steigen, bezeichne es nicht als Lügner*in. Denn damit wird es in eine Schublade gesteckt. Sage eher so etwas wie: “Ich mag es nicht, wenn du lügst.” Damit kritisierst du nur das Verhalten deines Kindes, aber nicht seine Persönlichkeit.
4. Lass dein Kind von sich aus die Wahrheit sagen
Wenn du merkst, dass dein Kind lügt, stelle ihm keine Fallen, sondern sage das ganz direkt. “Das kann ich kaum glauben. Bitte sag mir einfach die Wahrheit” oder “Da hast du sehr schnell geantwortet. Überleg dir die Antwort doch noch mal einen Moment”. So kann es die Situation wieder gerade biegen, ohne, dass es sich von dir manipuliert fühlt oder vor Scham versinkt.
5. Erkläre deinem Kind das Konzept von "Notlügen"
Du freust dich vor der Familie sehr über das Geschenk deiner Mutter freust. Hinterher sagst, wie schrecklich du es findest. Das verwirrt dein Kind. Erkläre ihm, warum du das gemacht hast, indem du erklärst: “Ich habe das gesagt, damit Oma nicht traurig ist, weil sie sich so viel Mühe mit dem Geschenk gegeben hat.” So lernt dein Kind an ersten kleinen Beispielen die Ambivalenz des Lebens kennen. Und ganz pragmatisch, dass Wertschätzung und Höflichkeit manchmal vor der vollen Wahrheit Vorrang haben.
6. Überlegt euch Alternativen
Besprich mit deinem Kind gemeinsam, wie es beim nächsten Mal reagieren kann, anstatt zu lügen. Etwas, wenn es immer wieder Schokolade stibitzt. Überlegt, was eine bessere Regel ist, als Süßes zu mopsen und danach das Gegenteil zu behaupten. Zum Beispiel eine Süßigkeitenbox, die ein Mal in der Woche aufgefüllt wird.
7. Stellt Regeln auf
Ihr immer wieder in die Situation kommt, dass dein Kind lügt und auch nach mehreren Nachfragen noch nicht die Wahrheit sagt? Sprecht darüber in einer neutralen Minute. Erklär deinem Kind, was die Auswirkungen seiner Lügen auf dich sind. Stellt Regeln auf und haltet sie gemeinsam fest, am besten schriftlich. Ein Ansatz ist, hierfür eine Familienkonferenz zu machen.
Zusammengefasst: Kinder lügen und flunkern. Es ist wichtig, den Unterschied zu kennen und das Alter zu berücksichtigen. Gerade kleine Flunkereien sind meistens unbedenklich. Und solange dein Kind sich in seinen Lügen nicht zu sehr verstrickt, hilft dir vielleicht diese kleine Weisheit, gelassen zu bleiben: “Ich liebe es, jemanden beim Lügen zuzuschauen, wenn ich die Wahrheit kenne.”
Wenn du mehr darüber erfahren willst, wie du auch in solchen Situationen auf dein Kind eingehen kannst, ohne zu Schimpfen, dann schau doch mal bei unserem Audiokurs “Kinder erziehen ohne Schimpfen und Schreien” vorbei.
Quellen:
Kinder- & Jugendärzte im Netz (2019): Lügen gehört zur kindlichen Entwicklung und beweist Intelligenz. https://www.kinderaerzte-im-netz.de/news-archiv/meldung/article/luegen-gehoert-zur-kindlichen-entwicklung-und-beweist-intelligenz/.
Welt (2011): Lügen und Flunkern bei Kindern ist normal. ://www.welt.de/wissenschaft/article12487407/Luegen-und-Flunkern-bei-Kindern-ist-normal.html.
Westhoff, A., Westhoff, J. (2018): Das Lügen der Anderen. https://www.deutschlandfunkkultur.de/interkulturelle-forschung-das-luegen-der-anderen.976.de.html?dram:article_id=430905.
Kinder.de (2015): Lügen haben kurze Beine. https://www.kinder.de/themen/kleinkind/kleinkind-entwicklung/luegen-haben-kurze-beine/.
Reihmann-Höhn, U.: Hilfe, mein Kind lügt! Wie Sie damit umgehen und richtig reagieren.
https://www.elternwissen.com/erziehung-entwicklung/erziehung-tipps/art/tipp/kind-luegt.html.